Katalogtext zur Ausstellung Schlossräume, Museum Schloss Hardenberg, Velbert-Neviges, 2000

Der Raum der Kunst

Anna Amadio, Fritz Balthaus, Zbigniew Oksiuta, Rolf Schneider und Anna Tretter wurden eingeladen, Raumkonzepte zu realisieren, die sich mit den spezifischen Gegebenheiten und Bedingungen des Ortes befassen. Sie bedienen sich verschiedener ästhetischer Strategien, um auf die historisch besetzten Räume zu reagieren, die vorgefundenen Strukturen des Hauses zu reflektieren und die Qualitäten der Räume zu akzentuieren.
Ihre temporäre Inbesitznahme des Hauses ereignet sich still und unspektakulär, poetisch und minimalistisch, kritisch und konstruktiv zugleich. Auf den repräsentativen, z. T. barocken Charakter der Innenräume, auf die mächtige Architektur und die herrschaftliche Vergangenheit des Gebäudes antworten sie mit einer Reduktion und Sparsamkeit ihrer künstlerischen Mittel. So bilden leichte und transparente Materialien wie Polyäthylenfolie, Glas, Spiegel und Licht mit der Architektur ein sensibles Beziehungsgeflecht, das die Gegenwart des Ortes bewusst macht. Projektionen auf Wand und Decke formulieren dann zum bestehenden Raum eine denkbare Alternative, einen »medialen Freiraum« (Gerhard Wild), der nur von begrenzter Dauer ist – eben nur so lange, wie Energie aus der Steckdose fließt.

 ....Anna Tretter geht bewußt weg von der Wand als einer „Ästhetischen Kraft“ und projiziert ein „Lichtgemälde“ an die Decke, Wasser, rückwärts fließende und in Zeitlupe. Naturgesetze werden mit Hilfe der Videotechnik auf den Kopf gestellt, der Raum und sein Inventar, Flügel und mit Spiegel bestückte Notenständer, zu Reflektionsflächen dieser Natur-Schau. Der Betrachter tritt in die immateriellen Bilder ein, entdeckt sich selbst als vielfaches Spiegelbild im rauschenden Wasser. Eingetaucht in diese virtuellen Welten, fällt es schwer, zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden. Verschiedene, Identität konstituierende und befragende Vorgänge, wie Spiegelungen und Projektionen, machen zudem den veränderten gesellschaftlichen Umgang mit Körper und Identität deutlich. Identität ist heute etwas fließendes, sich ständig Veränderndes, bedeutet Leben im Übergang zwischen verschiedenen Lebensformen. Natur, auch die des Menschen, weicht artifiziellen Produkten.

Heiderose Langer
Katalogtext zur Ausstellung Schlossräume, Museum Schloss Hardenberg, Velbert-Neviges, 2000